Bis 2026 will Deutschland seine Hilfe für die Ukraine reduzieren und sich dabei auf andere Quellen als den Bundeshaushalt stützen. Kapitalerträge aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten könnten eine solche Quelle sein.
Es war ein Schock für die Ukraine und für alle, die Kiew bedingungslos unterstützen wollen: Die Bundesregierung will offenbar ab dem kommenden Jahr die Finanzhilfen für die Militärhilfe an die Ukraine aus dem Bundeshaushalt einstellen und stattdessen einen internationalen Topf anzapfen.
Grund dafür ist die äußerst schwierige Haushaltslage, in der die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und der neoliberalen FDP um ihr Überleben kämpft.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) schrieb in einem Brief an Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), dass „neue Maßnahmen“, die Zahlungsverpflichtungen mit sich bringen, erst beschlossen werden dürfen, wenn „die Finanzierung gesichert ist“.
Die Bundesregierung hat im Haushalt 2024 7,5 Milliarden Euro (8,3 Milliarden Euro) für die Ukraine vorgesehen und weitere 4 Milliarden Euro (4,4 Milliarden Euro) für 2025. Danach wird im deutschen Bundeshaushalt kein Geld mehr für die Ukraine vorgesehen.
Das Geld soll dann aus einer neuen Quelle kommen, auf die sich die Vertreter der sieben großen westlichen Industrienationen, der G7, im Juni geeinigt haben. Auf ihrem Gipfeltreffen erklärten sie, dass bis Ende des Jahres rund 50 Milliarden Euro (55 Milliarden Dollar) an „zusätzlichen Mitteln“ aufgebracht werden sollen, die nicht als Ersatz für nationale Beiträge dienen.
Die Zinsen für diese Kredite sollen unter anderem durch Zinserträge aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten bezahlt werden. Es ist jedoch noch unklar, ob und wann solche Einnahmen anfallen, wie hoch sie sind und ob sie auf diese Weise verwendet werden können. Die internationalen Verhandlungen darüber sind noch nicht abgeschlossen. Die G7 hatte ausdrücklich erklärt, dass diese Mittel nicht die nationalen Beiträge zum Kampf der Ukraine ersetzen würden.
Kritik von allen Seiten
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, warnte die deutsche Regierung eindringlich davor, die finanzielle Unterstützung für sein Land zu kürzen. „Die Kürzung der Militärhilfe für die Ukraine bedeutet eine Gefährdung der Sicherheit Europas“, schrieb er auf X. “Das wäre fatal und muss vermieden werden. Die Mittel sind da, es ist eine Frage des politischen Willens.“
Auf die Regierung prasselte Kritik nieder. Vertreter der größten Oppositionspartei, der konservativen Christlich Demokratischen Union (CDU), warfen der deutschen Regierung vor, die Ukraine im Stich zu lassen. Die Oppositionspartei spricht sich auch für den Einsatz russischer Gelder aus – nicht als Ersatz für deutsche Gelder, sondern zusätzlich zu ihnen.
Selbst aus den Reihen der Regierungskoalition gibt es kritische Stimmen. Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, sagte, Deutschland könne seine Unterstützung nicht von der Haushaltslage abhängig machen. „Wir dürfen das Schicksal der Ukraine nicht auf dem Altar der Schuldenbremse opfern“, sagte er mit Verweis auf eine Bestimmung im Grundgesetz, die die Staatsverschuldung begrenzt.
Der Co-Vorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, sagte in einem Interview mit der ARD: „Das ist kein gutes Signal, schon gar nicht für die Ukraine und schon gar nicht für unsere Partnerstaaten, die alle betroffen sind.“
Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP, eine der vehementesten Befürworterinnen der militärischen und finanziellen Hilfe für die Ukraine und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europäischen Parlament, schloss sich dieser Meinung an. Sie nahm aber auch ihre Partner in die Pflicht. Sie schrieb auf X, dass die Hilfe für die Ukraine noch aufgestockt werden müsse. „Das geht aber nur gemeinsam mit unseren europäischen Partnern, von denen wir genauso viel Engagement einfordern wie bisher.“
Angst vor den Landtagswahlen?
Die Bundesregierung will die Hilfe für die Ukraine nicht nur wegen der knappen Haushaltslage einschränken. Im September finden in drei ostdeutschen Bundesländern Landtagswahlen statt: Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Umfragen sagen gute Ergebnisse für die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) und die populistische Sahra Wagenknecht Allianz (BSW) voraus, die die Unterstützung für die Ukraine beenden wollen und für eine Aussöhnung mit Russland eintreten.
Nach der anfänglichen Aufregung über die Kürzung der Hilfe für die Ukraine versucht die deutsche Regierung nun, den Schaden zu begrenzen: „Der Bundeskanzler steht zu seinem Wort, dass die Unterstützung für die Ukraine so lange wie nötig fortgesetzt wird und dass niemand, insbesondere nicht der russische Präsident, damit rechnen kann, dass wir nachlassen“, sagte Regierungssprecher Wolfgang Büchner.
Er dementierte jedoch nicht, dass eine Umschichtung aus dem Bundeshaushalt in internationale Quellen erwogen wird.
https://www.dw.com/en/germany-ukraine-military-aid-2026/a-69984998